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28. März 2025

Den Pflichtteil bei der Erbschaftsteuer einsetzen

Beratertipp der Kanzlei Baker Tilly: Pflichtteilsanspruch als Steueroptimierungsinstrument

„Der erbrechtliche Pflichtteilsanspruch wird oftmals negativ gesehen, doch dabei kann er in einigen Fällen erbschaftsteuerlich aktiv zur Steueroptimierung genutzt werden“, sagt Diplom-Finanzwirt Matthias Winkler, Steuerberater und Partner im Regensburger Büro der multidisziplinären Kanzlei Baker Tilly. Der erbrechtliche Pflichtteil ist ein gesetzlich verankerter Anspruch in § 2303 BGB, der bestimmten Personen zusteht, wenn sie in einem Testament oder Erbvertrag nicht bedacht wurden. Demzufolge kann der Erblasser zwar frei entscheiden, wem er sein Vermögen vermachen möchte, bestimmte Personen haben allerdings dennoch Anspruch auf einen Teil des Erbes.

In der Regel entspricht der Pflichtteil der Hälfte des gesetzlichen Erbteils, den der Berechtigte ohne Verfügung des Erblassers erhalten hätte. Dabei werden sämtliche Vermögenswerte des Erblassers, einschließlich Schenkungen und Übertragungen auf Dritte in den letzten zehn Jahren vor dem Tod des Erblassers, berücksichtigt.

 

Anspruch nicht automatisch

„Pflichtteilsberechtigt sind vor allem die Kinder des Erblassers sowie der Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner. Auch die Eltern des Erblassers können unter bestimmten Umständen einen Pflichtteilsanspruch geltend machen“, erklärt Winkler. Der Erbschaftsteuerexperte verweist darauf, dass der Pflichtteilsanspruch jedoch nicht automatisch entsteht, sondern unter Einhaltung von Fristen aktiv geltend gemacht werden muss. Insgesamt dient der erbrechtliche Pflichtteil dazu, eine angemessene Versorgung der nahestehenden Personen des Erblassers sicherzustellen und sie vor einer vollständigen Enterbung zu schützen.

Insbesondere bei einem „Berliner Testament“, in dem sich die Ehegatten gegenseitig als Erben einsetzen, kann nach dem Tod des Erstversterbenden der Pflichtteil genutzt werden, um die erbschaftsteuerlichen Freibeträge des Verstorbenen optimierter einzusetzen. Während jeder Elternteil zu jedem Kind einen Freibetrag von 400.000 Euro nutzen kann, steht einem überlebenden Elternteil nur ein isolierter Freibetrag von 400.000 Euro zu. Bei einer Ehegattenerbeinsetzung im Rahmen eines „Berliner Testaments“ geht der Kinderfreibetrag des erstversterbenden Elternteils verloren. Durch die Geltendmachung des Pflichtteils durch das Kind gegen den Nachlass des erstversterbenden Elternteils kann der Freibetrag oder zumindest ein Teil davon geltend gemacht werden. Die Pflichtteilsgeltendmachung kann auch einvernehmlich mit dem überlebenden Elternteil erfolgen, wobei die Erfüllung des Pflichtteils durch das Kind bis zu dessen Ableben gestundet werden kann.

 

Erbschaftsteuer reduzieren

In einem Beispiel wird angenommen, dass die Eltern mit einem Eigenheim und Barvermögen ein Vermögen von 1,5 Millionen Euro besitzen, das beiden zu gleichen Teilen gehört. Die Eltern haben sich im Rahmen eines „Berliner Testaments“ gegenseitig als Erben eingesetzt. Beim Ableben des ersten Elternteils würde der überlebende Ehegatte 750.000 Euro erben; davon wären das Eigenheim, ein Ehegattenfreibetrag von 500.000 Euro sowie ein Versorgungsfreibetrag von 256.000 Euro steuerfrei, sodass keine Erbschaftsteuer anfallen würde. Der überlebende Ehegatte vererbt dann den Nachlass von 1,5 Millionen Euro an das Kind, das nach Abzug eines Kinderfreibetrags von 400.000 Euro insgesamt 1,1 Millionen Euro zu versteuern hat; die Erbschaftsteuer darauf wird mit 19 Prozent erhoben und beträgt somit 209.000 Euro.

Alternativ könnte das Kind den Pflichtteil aus dem Nachlass des erstversterbenden Elternteils geltend machen. Dieser würde der Hälfte des gesetzlichen Erbanteils von 50 Prozent entsprechen, was ein Viertel ausmacht. Der Pflichtteil würde somit ein Viertel von 750.000 Euro, also 187.500 Euro betragen; diesen Betrag stundet das Kind dem überlebenden Elternteil bis zu dessen Ableben. Der Nachlass zwischen den Ehegatten ist dann wiederum steuerfrei. Der Nachlass vom überlebenden Ehegatten an das Kind beträgt somit nur noch 1,31 Millionen Euro, wobei nach Abzug des Freibetrags von 400.000 Euro etwa 910.000 Euro zu versteuern sind. Die Steuer beträgt wiederum 19 Prozent bzw. 172.900 Euro. Im Vergleich zum Grundfall ohne Geltendmachung des Pflichtteils kann die Erbschaftsteuer im Beispielsfall um etwa 36.000 Euro reduziert werden.