Beratertipp der Kanzlei Baker Tilly: Im fortgeschrittenen Alter Testament überdenken
Was in vielen Familien als gut gemeinter Plan zur Versorgung des später einmal verwitweten Ehepartners gilt, stellt sich in vielen Fällen im Erbfall dann leider als ungünstig heraus, weil Steuerfreibeträge verschenkt wurden. Beim sogenannten „Berliner Testament“ setzen sich Ehegatten gegenseitig als Alleinerben ein. Die Kinder der Eheleute werden dabei erst als Schlusserben benannt. Oftmals errichten Ehepaare ein solches „Berliner Testament“ bereits bei der Eheschließung, nach der es jahrzehntelang unverändert bleibt.
„Gerade mit steigendem Vermögen und steigendem Lebensalter kann es aus erbschaftsteuerlicher Sicht Sinn machen, das einmal abgefasste Testament zu ändern“, sagt Diplom-Finanzwirt Matthias Winkler, Steuerberater und Partner im Regensburger Büro der multidisziplinären Kanzlei Baker Tilly.
Freibeträge sinnvoll nutzen
Ist der überlebende Ehegatte Alleinerbe, so kann er für das Erbe vom verstorbenen Ehegatten nur den Ehegatten-Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbstG in Höhe von 500.000 Euro nutzen. Die den Freibetrag übersteigende Erbschaft hat der überlebende Ehegatte in diesem Fall mit Erbschaftsteuersätzen zwischen sieben Prozent und 30 Prozent zu versteuern. Will der verwitwete Ehegatte sein Vermögen dann an die Kinder weitergeben, kann er zu jedem Kind nur einen Kinder-Freibetrag in Höhe von jeweils 400.000 Euro ausschöpfen. Der Kinder-Freibetrag des verstorbenen Ehegatten ist verloren, da der überlebende Ehegatte im Testament als Alleinerbe eingesetzt worden war. Insofern kann es zu Erbschaftsteuer-Kumulierungen kommen, wenn zunächst der überlebende Ehegatte und anschließend die Kinder ein- und dasselbe Vermögen erben.
„Gestaltend lässt sich beim Tod eines Ehegatten mit Berliner Testament oftmals nur noch mit der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen durch die Kinder eingreifen“, erklärt Erbschaftsteuerexperte Winkler. Die Kinder machen dabei den Pflichtteil gegenüber dem überlebenden Elternteil für das Erbe des verstorbenen Elternteils geltend. Der Pflichtteil mindert das Erbe des überlebenden Ehegatten und damit dessen Erbschaftsteuerbelastung, während für den geltend gemachten Pflichtteil beim Kind der Kinder-Freibetrag des verstorbenen Elternteils genutzt werden kann.
Vermögen in Familie halten
Ein „Berliner Testament“ sollte daher unter anderem in folgenden Fällen überdacht werden: Höheres oder hohes Lebensalter der Ehegatten, bei dem ein zeitnahes Ableben nacheinander nicht unwahrscheinlich ist, oder höheres Vermögen der Ehegatten, das über die steuerlichen Freibeträge hinausgeht und nicht für die Versorgung des überlebenden Ehegatten erforderlich ist.
„Bei vorhandenen Immobilien lassen sich vor dem Todesfall beispielsweise Gestaltungen in der Form durchführen, dass der verwitwete Ehegatte einen Nießbrauch an den Immobilien erhält, während die Substanz an die Kinder übergeht“, erläutert Steuerberater Winkler. Dadurch bleibt der überlebende Ehegatte über den Nießbrauch versorgt, kann die Immobilie nutzen oder die Mieteinnahmen weiter beziehen, während das Kind nur die Gebäudesubstanz erhält und dabei seinen Freibetrag gegenüber dem verstorbenen Elternteil nutzen kann.
Winkler empfiehlt Familien, die Themen Testament und Erbschaft nicht zu lange aufzuschieben, weil man sich womöglich scheut, darüber zu sprechen. Vielmehr sollte man sich rechtzeitig zusammensetzen und gegebenenfalls mit Unterstützung eines Experten beraten, wie man das Vermögen in der Familie halten kann, statt es im Erbfall unnötig mit hohen Erbschaftsteuerzahllungen zu belasten.
(Quelle: Baker Tilly Steuerberatungsgesellschaft mbH, Regensburg, regensburg@bakertilly.de)