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4. November 2022

Höhere Erbschaftsteuer für Immobilien

Beratertipp der Steuerkanzlei WW+KN: Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2022

„Weitgehend unbemerkt hat das Bundesfinanzministerium im Jahressteuergesetz 2022 einige Änderungen für die erbschaftsteuerliche Bewertung von Immobilien hinterlegt, welche die Erbschaftsteuer auf Immobilien nach dem 1. Januar 2023 teils deutlich erhöhen wird“, berichtet Diplom-Finanzwirt Matthias Winkler, Steuerberater und Geschäftsführer bei der Regensburger Steuerberatungsgesellschaft WW+KN. Zum einen werden die steuerlichen Bewertungsverfahren komplizierter und zum anderen werden die Wertzahlen erhöht. Ziel der Änderungen ist es laut Ministerium, eine verkehrswertnähere Bewertung zu erreichen.

Im Grundsatz sieht das Bewertungsgesetz (BewG) drei Möglichkeiten vor, wie Immobilien für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke bewertet werden können:

  • Vergleichswertverfahren: Das Vergleichswertverfahren kommt in der Regel bei Ein- und Zweifamilienhäusern sowie bei Eigentumswohnungen zur Anwendung, wenn ausreichend Vergleichswerte in örtlicher Nähe verfügbar sind. Die tatsächlich realisierten Verkaufspreise anderer Immobilien werden dabei auf Anfrage vom Gutachterausschuss mitgeteilt. Zum Vergleich herangezogen werden dabei in der Regel Baujahr, Adresse oder Wohnfläche. Der Vergleichswert liegt meist am nächsten am Verkehrswert der Immobilie.
  • Ertragswertverfahren: Das Ertragswertverfahren wird in der Regel für vermietete Immobilien oder gemischt genutzte Grundstücke herangezogen. Dabei werden der Bodenwert und die künftigen Einnahmen aus der Vermietung zu einem Ertragswert addiert. Der dabei ermittelte Wert wird um Bewirtschaftungskosten und die Bodenwertverzinsung vermindert. Der Ertragswert führt in vielen Fällen zu einem etwas niedrigeren Wert als dem Verkehrswert.
  • Sachwertverfahren: Kann der Wert einer Immobilie weder durch Vergleichs- noch durch Ertragswertverfahren ermittelt werden, kommt das Sachwertverfahren zur Anwendung. Hierbei werden Boden- und Gebäudesachwert addiert. Der Gebäudesachwert wird aus der Grundfläche der Immobilie multipliziert mit den Normalherstellungskosten ermittelt. Davon wird noch die Alterswertminderung abgesetzt und es erfolgt eine Multiplikation mit dem sogenannten Sachwertfaktor. Der Sachwertfaktor kann dabei oft zu Überwertungen führen.

In der Praxis führen Vergleichs- und Sachwertverfahren oftmals zu den höchsten und das Ertragswertverfahren zu den niedrigsten Wertansätzen. Die Anwendung des Vergleichswertverfahrens ist zudem häufig problematisch, da sich Immobilien meist nur sehr schwer „vergleichen“ lassen. Das Sachwertverfahren war in der Vergangenheit oftmals günstig, wobei sich durch die Veröffentlichung von Sachwertfaktoren durch die Gutachterausschüsse hier zuletzt eine erhebliche Verschlechterung eingestellt hat und sogar in einer Reihe von Fällen mittlerweile Überbewertungen festzustellen sind.

Mit dem Jahressteuergesetz 2022 werden ab dem 1. Januar 2023 beim Ertragswertverfahren nunmehr vor allem die Höhe der Bewirtschaftungskosten und der Liegenschaftszinsen so angepasst, dass sich künftig deutlich höhere Wertansätze ergeben werden. Auch das Sachwertverfahren wird ab dem Jahreswechsel deutlich komplexer ausgestaltet – ein neuer Regionalfaktor wird einbezogen und die gesetzlichen Sachwertfaktoren werden teils deutlich erhöht.

„Um steuerliche Überbewertungen von Immobilien zu vermeiden, eröffnet § 198 BewG dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, einen tatsächlich niedrigeren Verkehrswert durch ein Sachverständigengutachten nachzuweisen“, erläutert WW+KN-Experte Winkler. Ein solches Sachverständigengutachten ist insbesondere dann empfehlenswert, wenn die Immobilie über wertmindernde Besonderheiten verfügt, wie beispielsweise die unmittelbare Lage an einer Bahnstrecke oder Gebäudeschäden. Das Sachverständigengutachten muss aber, um vom Finanzamt anerkannt zu werden, hohen Standards entsprechen. Durch die Änderungen infolge des Jahressteuergesetzes 2022 wird die Einholung von solchen Gutachten wohl in Zukunft noch häufiger erfolgen.

Angesichts der Änderungen zum Jahreswechsel, empfiehlt Steuerberater Winkler geplante Immobilienübertragungen noch in das Jahr 2022 vorzuziehen.