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29. März 2022

Immobilien unter Nießbrauch übergeben

Beratertipp der Steuerkanzlei WW+KN: Schenkungsteuervorteile vorausschauend nutzen

„Immobilien werden aus schenkungsteuerlichen Gründen häufig schon vorzeitig unter Nießbrauchsvorbehalt übergeben“, sagt Diplom-Finanzwirt Matthias Winkler, Steuerberater und Geschäftsführer bei der Regensburger Steuerberatungsgesellschaft WW+KN. Das Nießbrauchsrecht wird im Grundbuch eingetragen und sichert damit den Übergeber ab. Der Übergeber behält sich mit dem Nießbrauch ein umfangreiches Nutzungsrecht vor. Er kann die Immobilie selbst nutzen oder vermieten, wobei ihm die Mieteinnahmen weiter zufließen. Während das Nutzungsrecht beim Übergeber verbleibt, geht das Eigentum an der Immobilie schon auf den Beschenkten über.

Steuerlicher Vorteil

Hierin liegt der schenkungsteuerliche Vorteil: Während dem Übergeber noch alle Einnahmen aus der Immobilie zufließen oder er diese selbst nutzen kann, wird dem Beschenkten bereits das Eigentum übertragen. Diese Schenkung kann beim Beschenkten mit den alle zehn Jahre nutzbaren steuerlichen Freibeträgen verrechnet werden. Der kapitalisierte Barwert des Nießbrauchs mindert dabei den Verkehrswert der Immobilie für schenkungsteuerliche Zwecke. Der Beschenkte erhält auf diese Weise nur die „Substanz“ der Immobilie übertragen. „Je früher eine Immobilie unter Vorbehaltsnießbrauch übergeben wird, umso weniger Schenkungssteuer muss effektiv bezahlt werden“, erklärt WW+KN-Steuerexperte Winkler.

Grundsätzlich gilt der Nießbrauch des Übergebers lebenslang und erlischt mit dessen Tod. Der Nießbrauch ist nicht vererbbar, wobei begründet aber beispielsweise auch der länger lebende Ehegatte als weiterer Begünstigter vorgesehen werden kann. Auch kann der Nießbrauch vorzeitig aufgehoben werden, während dann jedoch der wegfallende, kapitalisierte Nießbrauchswert eine weitere Schenkung des Übergebers an den Immobilieneigentümer darstellt.

Schenkungsteuer optimieren

Bei Kindern hat jeder Elternteil alle zehn Jahre einen Schenkungsteuerfreibetrag in Höhe von 400.000 Euro, das heißt beide zusammen insgesamt 800.000 Euro an Freibeträgen. Werden Immobilien unter Nießbrauchsvorbehalt über mehrere Zehn-Jahres-Zeiträume hinweg übertragen, können hohe Werte auf die nächste Generation schenkungsteueroptimiert weitergegeben werden.

Ein Beispiel dazu: Ein 58 Jahre alter Vater möchte sein vermietetes Vier-Parteien-Haus seiner Tochter schenken. Das Haus hat einen Verkehrswert von 1,2 Millionen Euro und der jährliche Reinertrag, Mieteinnahmen abzüglich Kosten, beläuft sich auf 40.000 Euro. Die durchschnittliche Lebenserwartung für einen Mann mit 58 Jahren beträgt laut Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes, auf die in § 14 Abs. 1 Bewertungsgesetz (BewG) verwiesen wird, 23,38 Jahre. Der Vervielfältiger für die Ermittlung des Kapitalwerts beträgt somit 13,339. Der steuerliche Wert des Nießbrauchs beläuft sich demzufolge auf 533.560 Euro [= 40.000 Euro x 13,339]. Der Verkehrswert der Immobilie ist für die Schenkung, um den Wert des Nießbrauchs zu vermindern [1.200.000 Euro – 533.560 Euro], womit sich eine „Nettoschenkung“ von 666.440 Euro ergibt. Gegen diese Schenkung kann der Freibetrag von 400.000 Euro gerechnet werden [666.440 Euro – 400.000 Euro], womit ein schenkungsteuerpflichtiger Betrag von 266.440 Euro übrig bleibt. Wenn keine Schenkungsteuer anfallen soll, könnten im vorliegenden Fall erst einmal nur 75 Prozent der Immobilie unter Nießbrauchsvorbehalt übergeben werden sowie die restlichen 25 Prozent dann in zehn Jahren, wenn der Schenkungsteuerfreibetrag erneut nutzbar ist.

Vor- und Nachteile abwägen

Dennoch gilt es auch bei einer Immobilienübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt, die Nachteile zu analysieren. So kann der Übergeber die Immobilie nicht mehr verkaufen. Bei einem Verkauf der Immobilie würde ein Kaufpreis in die Ablöse des kapitalisierten Nießbrauchwerts sowie den Substanzwert aufgeteilt werden. Der Beschenkte beziehungsweise Immobilieneigentümer würde dabei den in der Regel deutlich höheren Substanzwert erhalten, während dem Übergeber nur der wohl niedrige Ablösebetrag für den Nießbrauch zufließt. Darüber hinaus vermindert der Nießbrauch nicht die Pflichtteilsansprüche , wie dies sonst üblicherweise innerhalb von zehn Jahren nach einer Schenkung ratierlich der Fall ist. „Eine gute Beratung durch einen Notar und einen Steuerberater sollte daher vor jeder Immobilienübertragung unter Vorbehaltsnießbrauch erfolgen. Nur so können alle Vor- und Nachteile für den individuellen Fall abgewogen werden“, rät Winkler.