Kein Schmerzensgeld bei "überzogener" Krebsangst
Überzogene Reaktionen auf die Nachricht, dass ein eingenommenes Medikament möglicherweise Verunreinigungen enthält, die möglicherweise krebserregend sind, begründen keinen Anspruch auf Schadensersatz. Das geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Franfurt am Main hervor.
Erhöht die Einnahme eines verunreinigten Arzneimittels das Risiko, an Krebs zu erkranken, um 0,02 Prozent, sei es nicht generell geeignet, psychische Belastungen in Form von Ängsten und Albträumen zu verursachen, so das Gericht. Das allgemeine Lebensrisiko einer Krebserkrankung liege für Frauen in Deutschland bei 43,5 Prozent. Die Klägerin könne daher von der Arzneimittelherstellerin kein Schmerzensgeld verlangen, soweit sie seit Kenntnis der Verunreinigung an der Angst leide, an Krebs zu erkranken.
Keine behandlungsbedürftige Gesundheitsverletzung
Der sich aus den Angaben der Klägerin ergebende Krankheitswert liege unterhalb der Erheblichkeitsschwelle. Sie berufe sich darauf, dass sie bereits das Wort "krebserregend" beunruhige. Tagsüber denke sie oft an die ungewisse gesundheitliche Zukunft; nachts plagten sie Albträume. Diese Schilderungen seien ungenau, pauschal und belegten keine behandlungsbedürftige Gesundheitsverletzung.
Individuelle Risikoeinschätzung objektiv nicht nachvollziehbar
Die Haftung der Herstellerin scheide auch aus, da die Gesundheitsbeeinträchtigung nicht infolge der Arzneimitteleinnahme aufgetreten sei. Auslöser der psychischen Folgen sei vielmehr die Kenntnis von der Verunreinigung gewesen, wonach die Klägerin mit einem geringfügig erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Krebserkrankung rechnen müsse. Diese anzunehmende Risikoerhöhung verbleibe aber in einem Rahmen, der nicht in relevanter Weise über dem allgemeinen Lebensrisiko liegt und damit nicht geeignet sei, die behaupteten psychischen und physischen Folgen auszulösen.
Die individuelle Risikoeinschätzung der Klägerin sei hier nicht objektiv nachvollziehbar, so das OLG Frankfurt am Main in seinem Urteil vom 26.4.2023 (Az. 13 U 69/22).
(OLG Ffm / STB Web)
Artikel vom 16.05.2023